Hörbucher vertonen – Ein Beruf?
Warum ist Vorlesen eine Kunst?
Eins vorweg, das Berufsbild des Hörbuchsprechers gibt es eigentlich nicht.
Es ist eher ein Berufsfeld für uns Schauspieler und Sprecher, neben vielen weiteren, wie zum Beispiel der Synchronisation, der Moderation oder auch dem Hörspiel.
Aber auch Sprecher ist kein typischer Ausbildungsberuf, wenngleich es in Stuttgart an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst den in Deutschland einzigartigen Studiengang Sprechkunst und Sprecherziehung gibt. Hier erlernen Studierende den Umgang mit dem Mikrofon und Bühnenpräsenz zu entwickeln.
Die meisten Sprecher sind tatsächlich studierte Schauspieler oder haben eine Berufsausbildung Schauspiel abgeschlossen. Und das kann man auch hören, denn Sprechen ist mehr als Vortragen.
Es geht nicht darum, einen Roman nur stundenlang laut zu lesen, auch wenn das für Laien oder Lesefans bereits eine große stimmliche Herausforderung sein kann und schnell recht monoton anmutet.
Ein Hörbuchtext muss dem Genre entsprechend lebendig gestaltet werden. Der Sprecher ist also ein Sprech- und Sprachbegeisterter im besten Sinne, der allein mit seiner Stimme, den Romanfiguren und dem Erzähler Leben einhaucht, Atmosphären erschafft, authentische Dialogsequenzen gestaltet, den Hörer in fremde Welten entführt und Bilder in seinem Kopf entstehen lässt.
Ohne schauspielerisches und sprecherisches Handwerkszeug ist es also kaum möglich, eine glaubhafte Darstellung stimmlich zu inszenieren.
Zum benötigten Werkzeugkoffer eines Sprechers gehört insofern:
- Die deutsche Hochlautung und saubere Artikulation
- Stimmbildung
- Formung der adäquaten Sprechmelodie des speziellen Genres
- Stimmliches Widerspiegeln der Emotionen zur Entwicklung der Charaktere
- Geschulte Musikalität und Rhythmik zum vielfältigen Ausdruck
- Dialekte und Akzente zu beherrschen, kann ebenfalls nicht schaden und gibt bestimmten Charakteren erst den eigenen Charme resp. die vom Autor gewünschte Persönlichkeit.
Spezialisierung auf Hörbuch
Ich selbst habe ein Schauspielstudium abgeschlossen, einige Jahre Theater gespielt, viele Jahre Gesangsunterricht genommen und bin von klein auf bewusst mit Sprache umgegangen. Meine Mutter war Opern- und Liedsängerin, mein Großvater mütterlicherseits bibliophil und bestens ausgestattet mit Hunderten Metern Literaturschätzen.
Meinen beruflichen Werdegang könnt Ihr hier nachlesen.
Es gibt aber auch prominente Sprecherkollegen, die keine Schauspielausbildung absolviert haben. Meist sind diese Kollegen jedoch frühzeitig ins Berufsbild des Sprechers hineingewachsen, sind familiär bedingt ein Teil der Community, kommen aus artverwandten Berufen, sind beispielsweise Regisseure, Sänger, o.ä.
Ohne besondere Freude am Lesen wird mit Sicherheit auch niemand Hörbuchsprecher.
Ist man erstmal etablierter Sprecher kann man sich auch gut auf den Bereich Hörbuch konzentrieren. Der Markt explodiert geradezu. Es gibt viel Content, der nicht nur als gedrucktes Buch, sondern auch gleich als Hörbuch erscheint.
Tipps
Um im Hörbuchmarkt Fuß zu fassen, benötigt man also nicht nur eine fundierte Sprechtechnik und ein gutes Vorstellungsvermögen, sondern auch viel Willensstärke und Beharrlichkeit.
Über viele Stunden und Tage ein Hörbuch zu gestalten, ist nämlich nicht nur sehr befriedigend (für mich), sondern auch sehr anstrengend.
Ganz wichtig ist es meines Erachtens, viel zu lesen – am besten laut, um die Stimme zu bilden, sich viele Hörbücher anzuhören, sein Gehör zu schulen, sich zu verdeutlichen, was der Sprecher / die Sprecherin mit ihrer Stimme macht und wie es auf mich wirkt. Selbst auszuprobieren, stimmlich in unterschiedliche Figuren zu schlüpfen, ist der nächste Schritt.
Dann geht es um die Arbeit vor dem Mikrofon:
Erlerne die richtigen Positionen vor dem Mikrofon, stehend und sitzend, je nachdem womit Du Dich über Stunden wohl fühlst.
Höre Dir an, wann Deine Aufnahmen klar klingen beziehungsweise wann und warum Störgeräusche auftreten.
Am besten, Du übst anhand einer Aufnahme und eines gedruckten Textes und analysierst wie Du klingst.
Im nächsten Schritt zeigst Du einem Profi Deine Aufnahmen. Sowohl ein Sprecherkollege, ein Regisseur als auch ein Tontechniker können Deine Aufnahmen beurteilen, so dass Du weißt, in welche Richtung Du weiter üben musst. Reflektieren und üben!
Es gibt auch verschiedene Ausbildungsstätten und Kollegen, die Dir weiterhelfen können. Diesem Bereich habe ich einen eigenen Blogbeitrag gewidmet.
Und Kinder sind auch sehr gute Kritiker und zeigen meist deutlich, ob sie gefesselt sind oder sich eher bei Deinem Vortrag langweilen.
Die Vorbereitung einer Hörbuchproduktion
Gibt es bereits einen Vertrag mit einem Verlag oder einem Autor, dass Du das Buch als Hörbuch gestalten sollst, beginnt die Vorbereitung zur Produktion.
Zunächst einmal hältst Du die Strichfassung oder das ungekürzte Hörbuchskript in Händen.
Am besten, Du liest es einmal durch.
Danach kannst Du Dir Anmerkungen notieren und Markierungen ins Skript setzen, z.B. welche Figuren es gibt, welche Rolle was spricht, Infos über den Erzähler, Aussprachen einzelner Sätze oder Worte, denn häufig gibt es in einem englischen Cosy Crime-Titel bestimmte Worte, die Dir nicht bekannt sind. Dann kannst Du in Rücksprache mit dem Verlag oder Autor konkrete Infos dazu bekommen und Dich absprechen, wie Du diese Begriffe, Zahlenkombinationen oder beispielsweise eine Webadresse aussprechen sollst.
Die Hörbuchvorbereitung kann enorm viel Zeit in Anspruch nehmen.
Einige Kollegen arbeiten weniger intensiv im Vorfeld und sind sehr geschult darin, prima vista zu lesen, einen Text also erstmalig vom Blatt abzulesen.
Meiner Meinung nach birgt diese Methode einige Gefahren, beispielsweise wenn erst zum Ende eines Skripts / am Ende des Buches klar wird, dass die Hauptrolle ein junges Mädchen ist und nicht wie angenommen ein älterer Herr.
Durch einen intensiven Vorbereitungsprozess bekommst Du auch ein Gespür für die Dramaturgie des Werkes, weißt, welche Stimmgestaltung Du einsetzen willst, kennst das Timing und einen den Charakteren gegebenenfalls innewohnenden Humor.
Die Königsdisziplin für einen Sprecher
Prosa sprechen, ein Hörbuch faszinierend gestalten, das ist eindeutig die sprecherische Königsdisziplin.
Und selbst unter den Profis ist die Luft dünn...
Daher würde ich raten: Wer sich für stimmlich begabt hält, soll es versuchen und sich intensiv und vor allem aktiv mit der Thematik auseinandersetzen:
Sich aufnehmen und selbstkritisch anhören, Unterricht bei einem Profi nehmen.
Es ist allerdings auch wichtig zu begreifen, dass der Markt umkämpft ist und Hörbuchverlage wie Aufnahmestudios vorrangig auf ausgebildete Profis zurückgreifen.
Ein Tipp hier auch für junge Studios, die der Marktlage entsprechend, sich momentan ebenfalls am Markt positionieren möchten:
Schafft für uns Sprecher eine angenehme, wohnliche Atmosphäre.
Wer den Großteil seiner Arbeitszeit in Tonstudios verbringt, möchte nicht nur von bester Technik und einem kompetenten, wohlwollenden Team profitieren, sondern sich auch in einer Wohlfühl-Atmospäre aufzuhalten. Das bedeutet beispielsweise bei Tageslicht arbeiten zu können und nicht in einem Keller ohne Tageslicht.
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